Warning: Undefined array key "HTTP_ACCEPT_LANGUAGE" in /home/httpd/vhosts/birds-online.ch/birds-online.ch/includes/settings.php on line 60 Birds-online.ch

Siedlungsraum

Dörfer und Städte sind der am stärksten durch den Menschen geprägte Lebensraum - kaum eine Fläche ist nicht mehr oder weniger bewusst gestaltet, bepflanzt oder bebaut. Wie für das Kulturland gilt auch hier, dass dieser Lebensraum erst seit wenigen Jahrtausenden besteht und somit alle Vogelarten, die wir hier finden, ursprünglich aus einem anderen Lebensraum kommen.

Unterschiedliche Artengruppen im Siedlungsraum

Je nach Ausgestaltung des Siedlungsraumes können dabei andere Arten vorkommen, primär finden wir im Siedlungsraum aber Waldarten, Felsenbrüter sowie allgemein sehr anpassungsfähige Arten. Insgesamt werden Arten, die sich an stark vom Menschen geprägte Lebensräume anpassen, als Kulturfolger bezeichnet.

Anpassungsfähige Arten

Für Arten, die gut in der Lage sind, sich an verschiedene Bedingungen anzupassen und neue Nahrungsquellen zu erschliessen, bieten Dörfer und Städte diverse Vorteile. Menschliche Abfälle stellen eine nie versiegende Nahrungsquelle dar, Gebäude bieten oft gut geschützte Nistplätze, und im Winter ist die Temperatur in Städten deutlich höher als in der Umgebung. Der typischste Vertreter dieser Gruppe ist der Haussperling. Er ist seit Langem stark an menschliche Siedlungen gebunden und kommt nur noch in diesem Lebensraum vor - sein ursprünglicher Lebensraum lässt sich nicht mehr sicher eruieren. Ebenfalls zur Gruppe der anpassungsfähigen Arten zu rechnen sind z. B. die Krähenvögel, von denen sich mehrere Arten gut im Siedlungsraum etablieren konnten.

Silbermöwe
Im Siedlungsraum gibt es immer etwas Fressbares zu holen (Silbermöwe auf Helgoland, Deutschland)

Waldarten

Wo im Siedlungsraum Grünflächen mit einzelnen Bäumen und Büschen vorhanden sind, können sich sofort einige Vogelarten ansiedeln, die sonst im Wald oder im Waldrandbereich vorkommen. Beispiele hierfür sind die Amsel sowie einige Meisen- und Finkenarten. Werden die Grünflächen und Baumbestände grösser, z. B. in grossen Gärten oder Parkanlagen, wird das Artenspektrum breiter. In Siedlungen mit grösseren Grünflächen finden auch Arten wie Ringeltaube, Spechte, Singdrossel, Grauschnäpper, Baumläufer, Kleiber und sogar Waldkauz einen geeigneten Lebensraum. Es ist nicht auszuschliessen, dass noch weitere Waldarten mit der Zeit zu Kulturfolgern werden.

Stadtpark
Lebensraum für zahlreiche Waldvögel: Grosse Grünflächen wie der Donaupark in Wien (Österreich)

Felsenbrüter

Der Begriff "Häuserschluchten" kommt nicht von ungefähr - auch aus Vogelsicht sind hohe Gebäude strukturell mit felsigen und gebirgigen Lebensräumen vergleichbar. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass mehrere Felsbrüter den Sprung in die Dörfer und Städte geschafft haben und hier Höhlen, Nischen und Vorsprünge von Gebäuden als Nistplatz nutzen. Charakterarten in städtischen Gebieten sind beispielsweise Mauersegler und Hausrotschwanz, und auch Wander- und Turmfalken finden an hohen Gebäuden gute Nistplätze. In eher ländlicheren Siedlungen sind Mehl- und Rauchschwalbe typische Beispiele ursprünglicher Felsenbrüter.
Auch hier ist davon auszugehen, dass weitere Arten zu Kulturfolgern werden. Aktuell im Gange ist dieser Prozess beispielsweise beim Uhu, der in einigen Grossstädten bereits grössere Populationen etablieren konnte. Ein anderes Beispiel ist die Felsenschwalbe, welche im Alpenraum zunehmend an Häusern statt an Felsen brütet.

Industriequartier
Hohe Hauswände erinnern strukturell oft an Felswände, wie hier in einem Industriequartier in Schwerzenbach (Schweiz)

Nachteile im Siedlungsraum

Natürlich bieten Dörfer und Städte nicht nur Vorteile für Vögel. Alle Lebensräume sind relativ kleinräumig und werden intensiv durch den Menschen genutzt. Arten, die auf grossflächige Lebensräume angewiesen sind oder störungsanfällig sind, werden sich hier deshalb nicht ansiedeln können.
Das natürliche Nahrungsangebot, z. B. an Insekten, Samen und Beeren, ist ziemlich eingeschränkt. Dies dürfte der Grund dafür sein, dass viele Arten im Siedlungsraum einen deutlich niedrigeren Bruterfolg haben als in den umliegenden naturnaheren Lebensräumen.
Zudem stellen Verkehr, Glasfassaden und die ungewöhnlich hohe Raubtierdichte (Hauskatzen) tödliche Gefahren dar. Die künstliche Beleuchtung kann ausserdem den natürlichen Tagesrhythmus der Tiere (und auch Menschen) durcheinanderbringen und für erhöhten Stress sorgen.

Naturschutzaspekte

Mit einfachen Massnahmen kann man im Siedlungsraum für eine höhere Biodiversität sorgen - davon profitiert nicht nur die Natur, sondern auch die Lebensqualität für den Menschen wird nachweislich gesteigert.
Durch eine Bepflanzung der Gärten und Grünflächen mit einheimischen Pflanzen wird das Nahrungsangebot für diverse Tierarten deutlich erhöht. Vögel profitieren insbesondere von beeren- und samentragenden Pflanzen und natürlich auch von den höheren Insektenvorkommen. Generell ist auf eine möglichst naturnahe Grünraumgestaltung zu achten, z. B. mit Blumenwiesen statt englischem Rasen und möglichst viel unversiegeltem (also nicht asphaltiertem oder betoniertem) Boden. Besonders wertvoll sind auch grosse, alte Bäume mit Höhlen. Das Anlegen von sogenannten Kleinstrukturen - das sind z. B. Ast- und Steinhaufen, offene Bodenstellen, kleine Teiche, Trockenmauern, Totholz etc. - fördert zahlreiche Insekten, aber auch kleine Wirbeltiere wie Eidechsen oder Igel.
Doch nicht nur die Grünräume, auch die Gebäude selber sind wichtig. Ältere Gebäude weisen unter den Dächern und in den Mauern oft zahlreiche Höhlen und Nischen auf, welche als wertvolle Nistplätze dienen. Bei modernen Gebäuden fehlen solche Nistgelegenheiten oft - durch den Einbau von besonderen Niststeinen oder das nachträgliche Anbringen von Nistkästen lässt sich hier aber leicht Abhilfe schaffen. Auch tödliche Fallen wie z. B. spiegelnde Glasfassaden können durch geeignete Massnahmen weitgehend eliminiert werden.

Ausführliche Informationen zur naturnahen Gestaltung des Siedlungsraumes bietet BirdLife Schweiz auf seiner Webseite: www.birdlife.ch/siedlungsraum